Anfang August 2020 wurde bekannt, dass Siemens Healthineers den Weltmarktführer in der Krebs-Strahlentherapie übernehmen will: den börsennotierten US-Konzern Varian für 16,4 Milliarden US-Dollar. Nicht nur Transaktionen dieser Größenordnung, sondern auch im typischen Mittelstand erfordern in den USA die Zustimmung des Committee on Foreign Investment in the U.S. (CFIUS). Wie die Investitionskontrolle abläuft und welche Anforderungen das CFIUS stellt, erläutert Jim Black, deutschsprachiger Partner für M&A bei der Acceleron Law Group in Washington.
Herr Black, auf welche Branchen kommt der CFIUS-Genehmigungsprozess zur Anwendung?
Black: Seit vielen Jahren ist das CFIUS für die Prüfung der potenziellen Auswirkungen auf die nationale Sicherheit der USA von Transaktionen zuständig, durch die ein ausländischer Erwerber die Kontrolle über ein US-Unternehmen erwerben soll. Der Anwendungsbereich des CFIUS-Genehmigungsprozesses hat sich durch Verabschiedung des Foreign Investment Risk Review Modernization Act (FIRRMA) in 2018 bzw. dessen Umsetzung durch das US Department of the Treasury im ersten Halbjahr 2020 deutlich ausgeweitet. Nach dem FIRRMA unterliegen Transaktionen der CFIUS-Genehmigung, bei denen lediglich eine Minderheitsbeteiligung an einem US-Unternehmen in bestimmten Branchen erworben werden soll. Die von dieser ausgeweiteten Zuständigkeit betroffenen Unternehmen sind sog. „TID“-Unternehmen, deren Geschäfte kritische Technologien, kritische Infrastruktur oder sensible persönliche Daten von US-Staatsbürgern betreffen. Darüber hinaus sind seit FIRRMA gewisse Investitionen in Grundstücke ausdrücklich betroffen.
Gibt es eine Umsatzschwelle, ab der das CFIUS zuständig ist?
Black: Nein, es gibt keine Umsatz- oder sonstige Schwelle bezogen auf das Transaktionsvolumen; vielmehr basiert die Anwendung von CFIUS auf der Natur der Zielgesellschaft bzw. der Art und den potenziellen Folgen der geplanten Transaktion.
Bedarf es für eine Untersagung durch das CFIUS einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung?
Black: Grundsätzlich ja. Eine Untersagung erfolgt nur, wenn (i) die geplante Transaktion eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellt, die sich aus der Absicht und Fähigkeit des ausländischen Erwerbers, die Sicherheit der USA durch aktive Maßnahmen zu beeinträchtigen, zusammensetzt, (ii) es ein Schadenpotenzial gibt, da die Natur der US-Zielgesellschaft eine Beeinträchtigung der Sicherheit der USA denkbar macht, und (iii) potenzielle schädliche Folgen für die Sicherheit der USA sich aus der Ausnutzung des Schadenpotenzials durch den ausländischen Erwerbers ergeben könnten.
Wie läuft die Investitionskontrolle ab – wer kann sie ab wann beantragen und wie lange dauert der Genehmigungsprozess typischerweise?
Black: Wenn die Parteien eine Transaktion bei dem CFIUS melden, bereiten der ausländische Erwerber und die US-Zielgesellschaft die Einreichung in der Regel gemeinsam vor. Die Parteien dürfen die Transaktion jederzeit vor (oder auch nach) Abschluss melden, einschließlich vor Unterzeichnung eines verbindlichen Kaufvertrags auf Basis eines Term Sheet oder sonstiger Zusammenfassung der vereinbarten Bedingungen.
Ist der Antrag bei dem CFIUS gesetzlich zwingend erforderlich?
Black: Bei den meisten Transaktionen bleibt eine CFIUS-Meldung freiwillig, wobei das CFIUS sich das Recht vorbehält, bereits abgeschlossene, nicht-gemeldete Transaktionen zu prüfen und – in extremen Fällen – vorzuschreiben, dass die Transaktion verändert oder gar rückgängig gemacht wird. Seit Verabschiedung des FIRRMA unterliegen manche Transaktionen nunmehr einer Meldepflicht. Hiervon betroffen sind Transaktionen, bei denen eine ausländische Regierung eine „wesentliche Beteiligung“ an bestimmten US-Unternehmen erwirbt bzw. bei denen eine Beteiligung an einem US-Unternehmen erworben wird, das eine oder mehrere kritischen Technologien produziert, entwirft, testet, herstellt, anfertigt oder entwickelt.
Wie gestaltet sich das Meldeverfahren zeitlich?
Black: Das CFIUS-Meldeverfahren wurde durch FIRRMA abgeändert, sodass nunmehr eine Meldung in Form einer vollständigen „Notice“, die umfangreiche Angaben zur Transaktion bzw. zu den Parteien enthält, oder aber in Form einer kürzeren „Declaration“, die deutlich weniger Informationen erfordert, möglich ist. Sowohl freiwillige als auch Pflichtmeldungen dürfen in Form einer Notice oder einer Declaration gemeldet werden. Im Falle einer Declaration hat das CFIUS 30 Tage Zeit, um diese zu prüfen und die Parteien über das Ergebnis der Prüfung zu informieren; dieses kann eine Freigabe, die Einleitung einer Ermittlung, eine Aufforderung zur Einreichung einer vollständigen Notice oder aber eine Mitteilung, dass das CFIUS nicht in der Lage ist, auf Basis der Declaration zu handeln, beinhalten. Im Falle einer Notice hat das CFIUS 45 Tage Zeit für ihre Prüfung. Nach Ablauf dieser Frist kann CFIUS entweder eine Freigabe erteilen oder eine Ermittlung einleiten; Letztere ist innerhalb von 45 Tagen abzuschließen, wobei diese auf 60 Tage verlängert werden kann. Sollte das CFIUS auf Basis seiner Prüfung feststellen, dass eine Transaktion unbedenklich ist, kann es eine Freigabe in Form eines „safe harbor“ Briefs erteilen; dieser versichert den Parteien, dass eine weitere Prüfung durch das CFIUS – außer in außergewöhnlichen Fällen – ausgeschlossen ist. Sollte das CFIUS Bedenken haben, darf es vor Freigabe der Transaktion weitere Informationen von den Parteien anfordern, Auflagen verhängen, Anpassungen auffordern, oder Zusicherungen von den Parteien – einschließlich in Form eines verbindlichen Mitigation Agreement – erfordern. In Fällen, in denen keine Milderung der problematischen Aspekte möglich ist, darf das CFIUS dem US-Präsidenten empfehlen, die Transaktion zu untersagen.