Das Corona-Virus hat sich mittlerweile zur eine Pandemie in mehr als 80 Ländern entwickelt und stellt in erster Linie, aber nicht nur ein gesundheitliches Problem dar: viele Unternehmen verzeichnen stark sinkende Nachfrage, Störungen der Wertschöpfungsketten und erhöhten Krankenstand. In diesem ersten Teil unseres “Digitorney Krisennavigator“ geben wir einen Überblick zu rechtlichen und operativen Lösungen, mit denen sich Unternehmen auf eine mögliche Rezession vorbereiten können. Zudem finden Sie passende Muster-Vorlagen zu den jeweiligen Lösungen für Geschäftsaktivitäten in Deutschland zum Download in der Digitorney Lounge.
Wer dieser Tage mit Unternehmern und Managern spricht, empfängt Krisensignale aus verschiedenen Ländern: viele chinesische Unternehmen haben seit Jahresbeginn praktisch keine Umsätze erzielt und Mitarbeiter in Quarantäne geschickt. Aufgrund der damit verbundenen Produktionsausfälle und sinkender Nachfrage kommt es in anderen Regionen der Welt (z.B. Europa), die starken Bezug zu China haben, sowohl zu Unterbrechungen der Produktion als auch zu starken Umsatzeinbußen insbesondere im Geschäft mit China. Die dort ohnehin abflauende Konjunktur hatte bereits zuvor für viele europäische Unternehmen, insbesondere Automobilzulieferer und Anlagenbau, sinkende Umsätze zur Folge gehabt.
Corona-Krise in China sorgt für Nachlaufeffekte vor allem in Europa
Wenngleich die Produktion in vielen chinesischen Unternehmen jüngst schrittweise wieder hochgefahren wird, sorgen die Nachlaufeffekte sowie das sich insbesondere in Europa weiter ausbreitende Corona-Virus in wirtschaftlicher Hinsicht für erhebliche Probleme: Investitionen werden auf Eis gelegt, Geschäftsreisen auf breiter Front gestrichen. Kurzarbeit wird eingeführt, Neueinstellungen werden vermieden und Mitarbeiter entlassen. Sollte diese Situation länger anhalten, werden finanzielle und operative Restrukturierungen sowie Insolvenzen zunehmen.
Kapitalmärkte verlieren Vertrauen und Aufnahmefähigkeit
Zugleich hat das Vertrauen von Investoren in den Aktienmarkt eingebüßt, so dass börsennotierte Unternehmen sinkende sowie stark volatile Aktienkurse verzeichnen und daher keine Kapitalerhöhungen durchführen können und infolge dessen kein Zugang zu frischem Eigenkapital besteht. Darüber hinaus sind auch börslich handelbare Schuldverschreibungen von Großunternehmen unter Druck geraten und die Aufnahmefähigkeit der Anleihe-Märkte ist stark eingeschränkt.
Um sich für Krisenzeiten zu wappnen, sollten Entscheidungsträger in Unternehmen insbesondere die folgenden Instrumente im Blick haben:
1. Liquidität sichern
Den Cash Flow zu sichern und zu maximieren, ist in Krisenzeiten von zentraler Bedeutung. Um die Liquidität aktiv managen zu können, muss zunächst Transparenz bestehen und dazu die Kapitalflussrechnung laufend aktualisiert werden. Ist eine Zahlungsunfähigkeit bereits absehbar, sollte zudem dringend ein Liquiditätsstatus erstellt werden, um frühzeitig feststellen zu können, ob und wann eine Zahlungsunfähigkeit als international wichtigster Insolvenzgrund eintritt, während hingegen der Tatbestand der Überschuldung in vielen Ländern rechtlich keine Rolle spielt.
Mit Blick auf die Zahlungsunfähigkeit gibt es je nach Land unterschiedliche Definitionen. In manchen Ländern wie beispielsweise Belgien (cessé ses paiements), Frankreich (cessation des paiements) oder Niederlande (opgehouden te betalen) kommt es darauf an, ob eine Zahlungseinstellung besteht. In Deutschland beispielsweise ist ein Unternehmen bereits zahlungsunfähig, wenn es mehr als 10 Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann. Auch in Österreich und Italien gibt es ähnliche Konzepte. Bloße Zahlungsstockungen reichen in den meisten Ländern grundsätzlich nicht für eine Zahlungsunfähigkeit aus. Für jedes Land ist also im Einzelnen zu prüfen, wo rechtlich die Grenzen zur Zahlungsunfähigkeit verlaufen.
1.1 Kurzfristige Maßnahmen zur Liquiditätssteigerung (ausgewählte Beispiele)
– Zahlungsziele an Kunden (DSOs) verkürzen, Zahlungsziele an Lieferanten (DPOs) verlängern
– Anreize für vorzeitige Zahlungen schaffen (z.B. Skonto)
– Vorteilhafte Zahlungsweise incentivieren
– Überfällige Forderungen direkt mahnen, Mahnwesen prüfen (ggf. Inkasso)
– Abschlagsrechnungen für teilweise fertige Produkte stellen
– Fertige Aufträge bei Lieferung sofort in Rechnung stellen
– Factoring, Reverse Factoring, Forfaitierung oder Dynamic Discounting nutzen
– Prioritäten für Ausgaben festlegen und variable Investitionen/Ausgaben nach Möglichkeit und Priorität sofort stoppen
– Zahlungseingänge gezielt steuern
– Sale-and-lease-back mit Blick auf Anlagegüter umsetzen
– Notwendige Anlagegüter leasen statt kaufen
– Vorräte reduzieren, Lagerhaltung auf Lieferanten oder Kunden verlagern
– Sonderangebote für schwer verkaufbare Produkte durchführen
– Waren überwiegend auf Kommission kaufen
– Offene Einlagen oder an Gesellschafter gewährte Darlehen einfordern
– Reduktion oder Stundung von Steuervorauszahlungen beantragen
– Kurzarbeiter-Geld (sofern verfügbar) beantragen
– Staatliche Liquiditätshilfen beantragen
1.2 Mittelfristige Maßnahmen zur Liquiditätssteigerung (ausgewählte Beispiele)
– Defizitäre Geschäftsbereiche schließen oder verkaufen
– Nicht betriebsnotwendige Anlagegüter (z.B. Grundstücke, Maschinen, Fahrzeuge) verkaufen
– Nicht benötigte Immobilien, Maschinen oder Fahrzeuge vermieten
– Outsourcing forcieren
2. Eigenkapital stärken
Soweit möglich, sollten Gesellschafter bzw. Aktionäre an der finanziellen Restrukturierung durch Eigenkapital beteiligt werden. Dazu kommen beispielsweise die folgenden Lösungen in Betracht:
– Kapitalerhöhungen
– Zahlungen der Gesellschafter in die freie Rücklage,
– Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt
– Kapitalherabsetzung durchführen und damit frei verfügbare Liquidität schaffen
3. Fremdkapital restrukturieren
Kommt es zu einem starken Rückgang des operativen Geschäfts, steigt bei konstant bleibenden Netto-Finanzverbindlichkeiten der sog. Leverage (Net Debt/EBITDA). Meist sinkt auch die Eigenkapitalquote. Falls dies zu einem Verstoß gegen vertraglich vereinbarte Finanzkennzahlen führt (Covenant Breach), ist dies der Startpunkt für die finanzielle Restrukturierung des Fremdkapitals. Dazu eignen sich beispielsweise die folgenden Maßnahmen:
– Stillhaltevereinbarung mit Banken bei Covenant Breach vereinbaren
– Brückenkredit mit Banken vereinbaren
– Sanierungskredit mit Banken vereinbaren
– Streckung oder Stundung von Fälligkeiten oder Zinsen (“Payment in Kind“) mit Gläubigern vereinbaren
– Reduktion/Erlass von Schulden und/oder Zinsen mit Gläubigern vereinbaren
– Schulden in neue Geschäftsanteile umwandeln per Kapitalschnitt und anschließender Sachkapitalerhöhung (Debt Equity Swap)
– Schulden gegen Anlagegüter tauschen (Debt Asset Swap)
– Verlagerung von Verbindlichkeiten in separate juristische Personen in anderen Ländern zur Vermeidung einer Überschuldung (Debt Hive-up)
Weitere Details zu den beschriebenen Lösungen finden Sie in den nächsten Folgen unseres „Digitorney Krisennavigator“.