Wenn es in wirtschaftlich bewegten Zeiten zu stärkeren Umsatzrückgängen kommt oder die Profitabilität wegen steigender Kosten leidet, entsteht schnell Restrukturierungsbedarf. Muss sich das Unternehmen dann von einer größeren Zahl von Mitarbeitern trennen, sind spezialisierte Berater wie Dr. Wolfgang Dannhorn gefragt. Wie er mit Unterstützung digitaler Tools und seiner Erfahrung aus rund 80 Projekten zu Werke geht, schildert der Stuttgarter Arbeitsrechtler und Cetonis-Vorstand im Gespräch.
Herr Dr. Dannhorn, was führt Sie ins Rhein-Main-Gebiet?
Dannhorn: Wir arbeiten derzeit für einen Konzern, der einen Teil seiner Belegschaft reduzieren muss. Wir haben die Aufgabe, mehrere tausend Arbeitsverträge zu sichten und einzelne Parameter daraus in unser digitales Sozialauswahltool einzugeben, mit dem wir eine Szenario-Analyse durchführen.
Wie bewältigen Sie diese Aufgabe?
Dannhorn: Wir ergänzen unser Kernteam um Juristen, die wir unter anderem über Digitorney flexibel eingebunden haben.
Kann das denn in Zeiten von LegalTech nicht ganz ohne Mitarbeiter funktionieren?
Dannhorn: Ein klares Nein. Das von uns entwickelte Sozialauswahltool ist eine wertvolle Unterstützung, kann aber die Beratung und die menschliche Analyse der Verträge nicht ersetzen. Denn wie in so vielen Bereichen des Rechts kommt es auf jeden Einzelfall an und deshalb bedarf es einer juristisch geschulten Durchsicht der Verträge, die mal so und mal so sein können.
Aber dafür gibt es doch auch Software…
Dannhorn: Ich selbst bin nicht nur Anwalt, sondern auch Programmierer; zudem stellt die Cetonis AG juristische Software her und kennt den Markt für LegalTech sehr gut. Wir haben noch kein einziges Tool gesehen, das eigenständig arbeiten und 100% Genauigkeit bieten kann. In unserem Geschäft und auch in diesem konkreten Fall hier können wir uns aber keine Fehler erlauben, denn jede Abweichung kann Millionenbeträge kosten.
Was genau leistet das Sozialauswahltool von Cetonis?
Dannhorn: Genau genommen sind es vier Tools, die wir in jedem Einzelfall auf die Bedürfnisse des Unternehmens anpassen und kombiniert einsetzen. Nach manueller Eingabe der Sozialdaten aller betroffenen Mitarbeiter – also vor allem Alter, Betriebszugehörigkeit, Familienstand, Zahl der Kinder, Bruttogehalt – und Kriterien wie beispielsweise Altersgruppenbildung schlägt das Tool automatisiert eine Sozialauswahl mit Blick auf betriebsbedingte Kündigungen einzelner Mitarbeiter vor. Dadurch wird die Sozialauswahl transparent, fair und nachvollziehbar.
Solche Features sind ja nicht neu…
Dannhorn: Hinzu kommt, dass wir mit einem weiteren Tool den Sozialplan kalkulieren — wobei Annahmen und Erfahrungswerte zur Verhandlungsdauer, zu Eigenkündigungen oder zur Abfindungshöhe einbezogen werden. Damit kann das Management während der Verhandlungen fortlaufend die finanziellen Konsequenzen simulieren und nachhalten, ob das veranschlagte Budget eingehalten wird.
Aber wie berücksichtigen Sie lokale Besonderheiten?
Dannhorn: Unser Tool für Sozialplanverhandlungen setzt auf statistischem Datenmaterial auf und berechnet auf dieser Basis voraussichtliche Zeiten der Arbeitslosigkeit für jeden Mitarbeiter – exakt auf Job, Landkreis und Altersgruppe abgestimmt. Auf diese Weise bekommt das Management ein repräsentatives und in den meisten Fällen für alle Beteiligten akzeptables Ergebnis.
Mit bloßen Kalkulationen ist es natürlich in der Praxis noch nicht getan…
Dannhorn: Richtig, und deshalb nehmen wir dem Unternehmen auch mit einem weiteren Tool die umfangreiche und fehleranfällige Arbeit mit den Dokumenten ab. Damit lassen sich beispielsweise automatisiert individuelle Briefe an eine Vielzahl von Mitarbeitern erstellen oder auch Massenentlassungsanzeigen formgerecht umsetzen.
Das klingt insgesamt nun doch recht technisch. Welchen Platz hat da die anwaltliche Beratung?
Dannhorn: Die Tools funktionieren nur, wenn Juristen sie richtig bedienen. Die Qualität der Ergebnisse hängt wie immer stark davon ab, was eingegeben wird – und das setzt, wie eingangs schon gesagt, eine Analyse der Dokumente durch Experten voraus. Deshalb ziehen wir für spezifisch juristische Fragen eine Arbeitsrechtskanzlei hinzu, die für das Unternehmen beratend tätig wird. Nach meiner Erfahrung wollen die Entscheider zwar gerne mit den Parametern des Tools „spielen“, um Szenarien zu simulieren. Aber letztlich kommt es ihnen bei rechtlichen Themen immer entscheidend auf die Erfahrung und die Meinung des Anwalts an. Wir bei Cetonis verstehen uns deshalb als Unternehmensberater, die auf der Grundlage zahlengestützter, digitaler Entscheidungshilfen eine durch Erfahrung getragene Handlungsempfehlung für sowohl den Unternehmer als auch den Anwalt ermöglichen.